An Allerseelen gedenkt man in Fünfkirchen alljährlich der Opfer des Zweiten Weltkrieges und aller Willkürherrschaften und Diktaturen. Die mit Kranzniederlegung verbundene ökumenische Gedenkfeier im deutsch-ungarischen Soldatenfriedhof wird traditionsgemäß vom Kulturverein Nikolaus Lenau e.V. und von der Deutschen Selbstverwaltung veranstaltet.
Die Gedenkstunde nahm auch heuer mit Gebeten der christlichen Kirchen ihren Anlauf: In der Vertretung der calvinistisch-reformierten Kirche betete Pastor Norbert Németh, und im Namen der römisch-katholischen Pfarrer Stefan Wigand für die Opfer.
“‚Versöhnung über den Gräbern‘ – heißt es im Motto des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, der heute in über 40 Staaten rund zwei Millionen Soldatengräber betreut. Der Volksbund hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Gebeine gefallener Soldaten zu bergen und würdevoll zu bestatten. Nicht nur für die Angehörigen der Toten, sondern für uns alle ist dies eine außerordentlich bedeutsame Arbeit: sie gibt der Trauer, und sie gibt dem Gedenken einen Ort. Denn darum geht: Dass wir uns die Vergangenheit in Erinnerung rufen, was in diesem Fall bedeutet: Die Schrecken der Vergangenheit und die Sinnlosigkeit jenes Krieges“, betonte in seiner Gedenkrede Johannes Haindl, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Budapest, der seine Würdigung wie folgt fortsetzte: „Nach dem Fall der Mauer wurden allein in Osteuropa in den vergangenen Jahren die Gebeine von rund 500.000 deutschen Soldaten gefunden, die auf neu eingerichtete Friedhöfe umgebettet wurden. Auf einem dieser Friedhöfe stehen wir heute. 220 deutsche Kriegstote haben hier ihre letzte Ruhe gefunden. Das sind 220 Menschen mit ihrem jeweils ganz eigenen Schicksal. Jede Grabstätte auf diesem Friedhof erzählt eine persönliche Geschichte von Menschen, die ihre Frauen und ihre Kinder nie mehr wiedersahen und für die all das, was sie sich an Lebensglück und Lebensziel erhofft und erträumt hatten, unerfüllt blieb. Es sind keine Geschichten mit einem Happy End; es sind vielmehr Appelle an politische Klugheit und Mäßigung und an die Menschlichkeit.
Seit über 70 Jahren können und dürfen wir jetzt in Frieden leben, und wir haben uns inzwischen so sehr an diesen Frieden gewöhnt, dass wir uns Krieg in Europa schon gar nicht mehr vorstellen können. Das ist ein Fehler. Denn Frieden muss erarbeitet werden. Frieden verlangt die Anstrengung, die Gegenwart zur Vergangenheit in Bezug zu setzen, um die Gegenwart so besser zu verstehen und um aus der Geschichte die richtigen Lehren zu ziehen.
Wir nehmen heute einige besorgniserregende Tendenzen wahr. Das große Ziel, die internationalen Beziehungen einer regelbasierten Ordnung zu unterwerfen, droht wieder zu verblassen; stattdessen scheint kurzfristiger nationalstaatlicher Egoismus überhand zu nehmen und politischer Populismus das Friedensprojekt ‚Europäische Union‘ – und nichts anderes ist die EU – zu unterminieren.
Die Gräber der gefallenen Soldaten hier in Pécs und überall in der Welt erinnern uns daran, was auf dem Spiel steht. Sie erinnern an unerträgliches Leid und unsägliches Unglück. Das Vermächtnis der Toten der Weltkriege ist uns Verpflichtung und Aufforderung zugleich, uns für Frieden und Menschenrechte mit allen Kräften einzusetzen.“ Mitglieder des traditionsbewahrenden Landwehrvereins aus Mecsekszabolcs stellten während der Feierstunde eine Ehrenwache. An der Gedenkfeier wirkte auch diesmal die Ritter Kapelle aus Nagyárpád mit.
Kränze wurden von Vertreterinnen und Vertretern der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Budapest, der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen, des Volksbundes Deutsche Kriegsgräber-Fürsorge, des Österreichischen Schwarzen Kreuzes, der Selbstverwaltung des Komitats Branau, der Selbstverwaltung der Stadt Fünfkirchen, des Branauer Regierungsamtes, des Verbandes der Deutschen Selbstverwaltungen in der Branau, des Nationalitätenkreises der Ungarndeutschen in Fünfkirchen-Branau, des Ungarischen Vitéz-Ordens, der Ungarischen Reservekräfte, der Deutschen Selbstverwaltung Fünfkirchen, sowie des Kulturvereins Nikolaus Lenau e. V. niedergelegt.
Fotos: Andrea Müller